Two reviews, the first from a Hamburg newspaper, the second from a newspaper in the surrounding region.
German reviewers in the "Culture" part of the newspaper never just review the concert, they always try to come up with some kind of original angle, which often has not much to do with the concert they visited... See what you think. I'll translate the second review when I have more time.
Hamburger Abendblatt
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Kultur & Live
16.07.13, 09:03
Konzert in der O2 World
Leonard Cohen ist der ewige Verführer
Der Musiker öffnete bei seinem Konzert in der O2 World so manches Herz mit Klassikern wie "Suzanne" und "Hallelujah". Dabei ist der Tanz ein wichtiges Element in Leonard Cohens aktuellem Programm.
Von Heinrich Oehmsen
Hamburg. Bei "I'm Your Man" hält es eine junge Frau nicht mehr auf ihrem Sitz. Selbstbewusst geht sie vor die Bühne und beginnt langsam-lasziv zu tanzen. Von Leonard Cohen wird sie nicht wahrgenommen, weil er den Song mit geschlossenen Augen singt, doch eine Ordnerin eilt schnell herbei und schickt die Frau zurück auf ihren Platz in Reihe sieben. Noch ist tanzen verboten, doch bei "Take This Waltz" gibt es kein Halten mehr. Dutzende von Frauen, vom Teenager bis zur Seniorin, erheben sich von ihren Plätzen und strömen nach vorn, um ihrem Idol zu huldigen, Blumensträuße auf die Bühne zu legen und sich im Rhythmus der Musik zu wiegen. Diese Tänze haben etwas von Hingabe, es wirkt, als sei ein Ventil geöffnet worden, als werde nun all den Gefühlen freier Lauf gelassen, die sich während der vergangenen zweieinhalb Stunden bei den Fans aufgestaut haben.
Der Tanz ist ein wichtiges Element in Leonard Cohens aktuellem Programm. Mit "Dance Me To The End Of Love" hat er das Konzert in der O2-Arena eröffnet, mit "Take This Waltz" endet er vor dem Zugabenteil, als letzten Song covert er von den Drifters "Save The Last Dance For Me". Immer, wenn er von der Bühne abgeht, springt, tanzt und hüpft er auf eine putzige Art, die so gar nicht zu dem eleganten Anzug und dem schwarzen Fedora-Hut und erst recht nicht zu seinem Alter passt. Der Kanadier ist immerhin 78 Jahre alt.
Solch intime Momente gelingen nur einem Ausnahmekünstler wie Cohen
Wer Cohen während dieser drei Stunden auf der Bühne beobachtet, bei dem müsste jede Angst vor dem Alter verfliegen. Er bewegt sich federnd, geht beim Singen oft in die Knie und erhebt sich wieder mit der Leichtigkeit einer Gazelle. Trotz einiger jovialer Einlagen bleibt er Grandseigneur durch und durch. Er ist immer noch der charmante Ladies' Man, der Frauenversteher und Verführer.
Wenn er die ersten Takte von "Suzanne" auf der akustischen Gitarre zupft, ist im Saal zu spüren, wie so mancher Frau das Herz bei diesem ergreifenden Liebeslied aufgeht. Mit seiner poetischen Gabe beschreibt der singende Schriftsteller darin die platonische Beziehung zu dieser "Suzanne". Das Lied erschien 1967 im Jahr des "Summer Of Love", der Zauber dieses Liebesbekenntnisses hat sich aus der Hippie-Zeit bis in die Gegenwart gehalten. Die große Arena verwandelt sich plötzlich in einen intimen Ort. Jeder, der sich intensiv in dieses Lied hineinfühlt, ist nun ganz allein mit Leonard Cohen. Solche Momente schaffen nur Künstler mit einer mächtigen Aura.
Während der drei Stunden gibt es noch mehr magische Momente. Cohens zarte Interpretation von "Hallelujah" wird zu einem der Höhepunkte des Abends und ist der von Jeff Buckley ebenbürtig. Von den vielen Coverversionen, die Cohens Lied erfahren hat, ist die von Buckley die schönste. Im Programm hat er eine Reihe weiterer Klassiker wie "Bird On The Wire", "First We Take Manhattan" und "The Future". Auch "Lover Lover Lover" gehört bei der aktuellen Tournee zum Repertoire.
Dass Cohens Konzert zu einem grandiosen Abend wird, verdankt der Poet auch seiner exquisiten Band und den drei Sängerinnen, die ihn stimmgewaltig unterstützen. Rafael Gayol trommelt angemessen dezent, Bassist Roscoe Beck hält die Band auf Kurs, Neil Larsen (Orgel) und Mitch Watkins (Gitarre) musizieren auf hohem Niveau, die Soli von Javier Mas (Gitarre, Laute) und Alexandru Bublitchi (Geige) jedoch machen sprachlos – zumindest diejenigen, die nicht nur herzförmige Augen und Ohren für Leonard Cohen und seine samtene Stimme haben.
My translation
Concert at the O2 World
Leonard Cohen is the eternal seducer
The musician at his concert in the O2 World opened many a heart with classics like “Suzanne” and “Hallelujah”. In the process, dance is an important element in Leonard Cohen’s current programme.
By Heinrich Oehmsen
Hamburg. During “I’m Your Man” a young woman can’t stay at her seat anymore. Self-confident she walks up in front of the stage and begins to dance in a slow, lascivious way. Leonard Cohen will not have noticed her because he sang the song with closed eyes, but a security person rushed up and sent the woman back to her seat in row seven. Dancing is still prohibited, but during “Take this Waltz” there is no holding back anymore. Dozens of women, from teenager to senior, get up from their seats and surge forward to pay homage to their idol, to place bouquets of flowers on the stage, and to sway in the rhythm of the music. These dances exhibit something like surrender, it appears as if a valve has been opened, as if now all those feelings are given free rein that accumulated during the past two and a half hours.
Dance is an important element in Leonard Cohen’s current programme. With “Dance Me To The End Of Love” he opened the concert in the O2-Arena, with “Take This Waltz” he concluded before the encores, as last song he covers the Drifters’ “Save the Last Dance For Me”. Whenever he leaves the stage, he jumps, dances, and skips in a cute way that is not at all in line with the elegant suit and the black fedora and even less with his age. The Canadian after all is 78 years old.
Only an exceptional artist like Cohen succeeds in creating such intimate moments
Any fear of aging must evaporate among anybody who observes Cohen on stage during these three hours. He moves resiliently, during singing often goes down on his knees and gets up again with the effortlessness of a gazelle. Despite a few jovial interludes he remains grand seigneur through and through. He still is the charming ladies’ man, the one, who understands women, and the seducer.
When he picks the first bars of “Suzanne” on the acoustic guitar, one can feel in the room how the heart of many a woman opens up during this poignant love song. With his poetic gift the singing writer in it describes the platonic relationship to this “Suzanne”. The song was released 1967 in the year of the “Summer Of Love”, the magic of this confession of love has endured from the hippie-era till the present. The big arena suddenly turns into an intimate place. Everybody, who feels oneself intensively into this song, is now completely alone with Leonard Cohen. Only artists with a powerful aura [can] create such moments.
During the three hours there are more magic moments. Cohen’s subtle interpretation of “Hallelujah” becomes one of the highlights of the evening and is on a par with that of Jeff Buckley. Of the many cover versions that Cohen’s song has experienced, Buckley’s is the most beautiful. He has a number of other classics in the programme like “Bird On The Wire”, “First We Take Manhattan”, and “The Future”. Also “Lover, Lover, Lover” is part of the repertoire of the current tour.
That Cohen’s concert turns into a terrific evening, the poet also owes to his exquisite band and the three female background singers who support him strong-voiced. Rafael Gayol plays drums adequately restrained, Roscoe Beck on bass keeps the band on track, Neil Larsen (organ) and Mitch Watkins (guitar) make music at a high level, the solos by Javier Mas (guitar, lute) and Alexandru Bublitchi (violin) however make you speechless – at least those of you, who don’t have only heart-shaped eyes and ears for Leonard Cohen and his velvet voice.
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KULTUR
Ein "Hallelujah" für Leonard Cohen
16. Juli 2013 | 00:00 Uhr | Von Alexander Bösch
Hamburg. Gott höchstpersönlich, singt Leonard Cohen (Foto) augenzwinkernd in "Going home" vom aktuellen Album "Old Ideas", habe ihn im Zwiegespräch als "faulen Bastard im Anzug" bezeichnet. Die 7000 Besucher in der Hamburger O2 World aber lieben den Meister aller Songpoeten, der sie an diesem Abend mit seiner unverwechselbaren alttestamentarischen Grabesstimme auf einen dreieinhalbstündigen Streifzug durch sein 45-jähriges Schaffen mitnimmt.
Im schwarzen Anzug kniet der Sohn eines jüdischen Textilfabrikanten weihevoll vor seinen Musikern, versenkt den Kopf in den knorrigen Händen und lässt mit knarzendem Bariton Klassiker wie "Bird on a Wire", das treibende "First we take Manhattan" oder das in jeder Castingshow von Kandidaten vermurkste "Hallelujah" erklingen.
Der 78-Jährige, der erst mit 34 Jahren sein erstes Album aufnahm und mit der Musik ursprünglich seine Tätigkeit als Schriftsteller absichern wollte, hat wie kein anderer seine zahllosen erotischen Begegnungen lyrisch verdichtet. Der ewige Verführer verzückt auch im Herbst des Lebens das Publikum mit der verklärten Rückschau auf die junge Tänzerin Suzanne Verdal ("Suzanne") oder auf Marianne Jensen ("So long Marianne"), die er einst auf der griechischen Insel Hydra kennen- und lieben lernte. Selbst der Umstand, dass die Fans den grollenden Bariton des Altmeisters seit einigen Jahren wieder live erleben dürfen, ist einer Frau geschuldet. Da Cohens langjährige Vertraute Kelley Lynch mit der Altersvorsorge des Brummbarden durchbrannte, sah sich der Kanadier gezwungen, den entstandenen Schaden durch ausgiebiges Touren auszugleichen.
"Amen" und das elegische "Darkness" aus dem hochgelobten Album "Old Ideas" schlagen düstere Töne an, verhandeln Themen wie Einsamkeit, Sühne und die unerbittliche Erkenntnis, dass die eigenen Tage gezählt sind. Demütig zieh Cohen immer wieder den Hut vor seinen Musikern, die er in Zwischenansagen mit Superlativen überhäuft.
Cohens kongeniale Songwriterin Sharon Robinson und die "Webb Sisters" Charley und Hattie sorgen mit engelsgleichen Stimmen und betörendem Harfenspiel für den Kontrapunkt zum brummenden Bass des charismatischen Mannes im schwarzen Anzug. Der aber gibt bei schummrigem Licht und anheimelnder Wohnzimmeratmosphäre vor dem wallenden Vorhang nochmal alles. Nicht weniger als acht Zugaben erklingen, bevor der magische Maestro seinen berauschten Anhängern mit auf den Heimweg gibt: "Möget ihr stets in guter Gesellschaft sein und nie den Schrecken der Einsamkeit ins Auge blicken."