This is the report I wrote for an Austrian Opera/Concert-Online-Magazine where I am a contributor - sorry it is only in German right now, didn't have the time to translate it.
I was moved to tears, the best thing which ever happened in all my concert-life. What a phantastic man, what a phantastic band...
HE’S OUR MAN
LEONARD COHEN
Bratislava, 28.8.2009
Es bedarf manchmal eines kriminellen Elements damit man in den Genuss des besten Konzerts kommen kann, das man in seinem ganzen Leben besucht hat – und das inkludiert Konzerte aller Arten – seien es nun Liederabende oder klassische Konzerte im Musikvereinssaal, Folkkonzerte oder Rockkonzerte. Als sich Leonard Cohen in den 1990ern für viele Jahre in das buddhistische Zen-Kloster auf Mount Baldy zurückzog, dort Koans studierte und als Priester mit dem Namen „Jikan“ (Der Schweiger) ordiniert wurde, veruntreute seine (jetzt ehemalige) Managerin sein gesamtes Vermögen, sodass er – nachdem er das Kloster verlassen hatte – ohne Altersversorgung da stand. Diese Geldnot veranlasste ihn, mit 73 Jahren wieder auf Tournee zu gehen. In der Zwischenzeit – Cohen wird in weniger als einem Monat 75 Jahre alt – schließen hunderttausende „Cohenites“ die Ex-Managerin in ihre Abendgebete /-meditationen ein, weil es dadurch noch einmal die Möglichkeit gab, diesen Sänger/Songwriter noch einmal live zu erleben.
Cohen sah sich selbst immer mehr als Poeten denn als Sänger an, was auf Grund der Limitierung seines Stimmumfanges absolut nachvollziehbar ist. Aber was er aus dieser Stimme macht, wie viel Gefühl, Weisheit und Demut er seine Lieder interpretiert – ja das ist unvergleichbar. Man braucht nur den Klang seiner ersten Aufnahmen aus dem Jahr 1967 mit dem von 2009 vergleichen – die Stimme ist tiefer, breiter und ausdrucksstärker denn je. Ich denke, dass er jetzt die Stimme – und das Alter – für die Lieder hat, die er vor 42 Jahren geschrieben hat.
Im Rahmen seiner European Summer Tour beehrte Cohen die Incheba Expo Hall in Bratislava und in etwa 4000 Besucher hatten sich eingefunden. Das Konzert war schon seit langem ausverkauft – trotzdem versuchten Dutzende, noch vor der Halle Karten zu bekommen – es wurden auf dem Schwarzmarkt bis zu 500 Dollar pro Karte geboten – das erinnerte mich schon an den Netrebko-Hype in Wien.
Der Liederabend – als solchen empfand ich ihn – ließ keine Wünsche offen. Eine der großen Stärken von Cohen war es immer, großartige Musiker um sich zu versammeln – wahre Großmeister. So auch dieses Mal. Besonders beeindruckten der „Master of Breath“, Dino Soldo, der Klarinette, Saxophon, Mundharmonika und Keyboards spielte sowie vor allem der Spanier Javier Mas, der auf der 12-saitigen Gitarre, Bandurria und anderen akustischen Saiteninstrumenten einen mediterranen Touch einbrachte und die Instrumente mit allerhöchster Virtusiotät beherrschte. Weitere Bandmitglieder waren der „Prince of Precision“, Perkussionist Rafael Gayol, Keyboarder Neil Larsen, Gitarrist Bob Metzger und der „Musical Director“ und Bassist Roscoe Beck. Alle diese Musiker gehören zur absoluten Weltspitze und wurden von Cohen auch entsprechend gewürdigt. Er zog im wahrsten Sinne des Wortes immer und immer wieder den Hut vor ihnen.
Seine drei Backgroundsängerinnen haben alle samt auch eine eigene erfolgreiche Karriere. Sharon Robinson, die auf eine klassische Klavierausbildung zurückblicken kann, hat eine dunkel timbrierte Stimme, während Charley und Hattie Webb, von Cohen als „the sublime Webb-Sisters“ vorgestellt, beides Soprane sind und – selbst begleitet mit irischer Harfe und Gitarre – mit einer unglaublich Version von „If it be your will“ das Publikum verzauberten. Dieses „Gebet“ war schon im Zugabenteil und es fühlte sich hier wie bei einer Messe an – oder, um denn Bezug zur Oper zu bringen – wie bei der Enthüllung des Grals bei Parsifal.
Engelsstimmen zu einem wunderschönen Text – wie im übrigen an diesem Abend sicherlich „Prima le parole voi le musica“ zutreffend war.
Für all diejenigen, die mit dem Lied nichts anfangen können, hier ein Link zu einer Aufnahme davon -
http://www.youtube.com/watch?v=mTf2KD75zOM
Einer der großen Vorteile zeitgenössischer Lieder ist es, dass Künstler diese immer wieder neu arrangieren können, ohne dass das Publikum und die Kritik sie niedermacht (man stelle sich vor, was passieren würde ein Pianist bei einer Beethoven-Sonate zum Improvisieren beginnen!). So können karge Arrangements aus den 1960ern für die Band neu geschrieben werden und somit den Liedern noch mehr tiefe verliehen werden. Ein herausragendes Beispiel dafür ist „The Partisan“, die Ballade über die französische Resistance – ein Musikstück, dass, wenn man sich mit dem Text beschäftigt zum Weinen schön ist.
Original -
http://www.youtube.com/watch?v=oG4ndbhOkpI
Version 2009 -
http://www.youtube.com/watch?v=seXMLRpDXYk
Insgesamt dauerte das Konzert – inklusive 7 Zugaben – zweieinhalb Stunden lang. Und da bewies es sich wieder einmal dass jemand, der wirklich etwas zu sagen hat, keinen unnötigen Firlefanz braucht, um sein Publikum in seinen Bann zu ziehen. Keine Tänzer, Videoeinspielungen. Im Hintergrund die Projektion des Cohen-Gemäldes „Montreux Girl“, die Bühne – je nach Lied – in einheitliches Licht getaucht. Das war’s schon. Cohen selbst – wie auch die übrige Band – im Nadelstreifanzug und „Fedora-Hat“. Ein 75-jähriger, weißhaariger Mann, keine 1,70 Meter groß – aber mit einer unendlichen Ausstrahlung. Er selbst hat in seinem Leben sicherlich nichts ausgelassen, wie er selbst immer in Interview betonte – Drogen, Alkohol und seine großes Liebe – die Frauen. Und einigen verdanken wir die schönsten Liebeslieder und Beziehungslieder überhaupt – „Chelsea Hotel #2“ (das Lied, das er für Janis Joplin geschrieben hat und das den Rezensenten dazu verleitet hat, sich für einen Tag in ebendiesem Hotel um USD 330,- ohne Frühstück einzuquartieren…), „So Long Marianne“ (für die Norwegerin, die mit ihm einige Jahre auf der griechischen Insel Hydra verbracht hat), „Suzanne“ , die an diesem Tagen etwas über-arrangierte Danksagung an die „Sisters of Mercy“ (da wäre meiner Meinung nach eine reduzierte Version mehr gewesen) oder „Famous Blue Raincoat“, für das er spontane Standing Ovations erhielt.
Die Reise aus 40 Jahren Musikgeschichte führte uns in „The Future“, gemeinsam mit Cohen nahmen wir Berlin ein „First We Take Manhattan, then we take Berlin“, bestiegen mit ihm den „Tower of Song“, verharrten andächtig bei „Hallelujah“ und konnten bei „Take This Waltz“ die Tränen nicht mehr zurückhalten.
Zu Beginn des Konzerts sagte er zum Publikum „It might be the last time that we cross our paths, so we will give you everything we have“. Er hat nicht zu wenig versprochen. Als sich auf der Bühne die Band, Tontechniker, Crew und Cohen mit “Whither thou goest”, einem Lied, dessen Text eine Adaption der Worte aus der Bibel (Ruth 1:16-17) sind, verabschiedete, hoffte er, dass Menschen, die einen Partner haben, mit ihm glücklich sind und „all of you who are lonely may you find your blessing in solitude“. Schöner und wahrer kann man sich nicht von „seinem“ Publikum verabschieden.
Noch nie in meinem Leben bin ich mit so hochgesteckten Erwartungen in ein Konzert gegangen – ich wartete immerhin mehr auf 21 Jahre darauf, diesen Künstler wieder einmal sehen und hören zu dürfen – und die Erwartungen wurden nicht enttäuscht. Im Gegenteil – jetzt, 18 Stunden nach dem Konzert, wirkt es noch viel stärker nach, als ich es erwartet habe.
Kurt Vlach
P.S. Ein Muss für jeden, der Lieder mag – die DVD seiner aktuellen Tournee, „Leonard Cohen – Live in London“. Obwohl er da vor 20.000 Besuchern singt und seine Musik eher zu intimeren Rahmen passt, schafft er es – besonders im 2.Teil des Konzerts – dass man glaubt, dass er nur für einen persönlich singt. Und das ist glaube ich das Höchste, was ein Interpret zu bieten hat.